Nach einer kurzen Post-Corona-Verschnaufpause deuten wichtige Risikoindikatoren auf die nächste (Dauer-)Krise für die Unternehmen hin. Dabei ist der Anteil krisenresilienter Unternehmen in Deutschland – insbesondere im Vergleich zur Schweiz – gering. Mögliche Ursachen könnten sowohl in einer stärkeren Inflation als auch in einer verzögerten Anpassung der Kostenstrukturen der Unternehmen liegen. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern und Fachhochschule Kiel.
Klimawandel, COVID-19, Krieg in Europa und Nahost, politische Instabilitäten, Energiekrise, Inflation und eine schwächelnde Nachfrage – in den vergangenen Jahren reiht sich eine Krise an die nächste. Die anhaltende Serie von Herausforderungen hinterlässt deutliche Spuren in der finanziellen Performance zahlreicher Unternehmen. So stieg in den Jahren 2023/2024 der Anteil krisenanfälliger Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum ersten Mal seit der Corona-Krise 2020 wieder an. Diese negative Entwicklung kann auf die anhaltenden geopolitischen Spannungen, ausgelöst durch den russischen Krieg in der Ukraine, und den deutlichen Anstieg der Inflations-, Energie- und Lebensmittelpreise zurückgeführt werden. Dies zeigt eine internationale Studie der Hochschule Luzern (HSLU) und Fachhochschule (FH) Kiel. Die Autor*innen stellen aber auch deutliche Unterschiede zwischen den Ländern fest.
Verschiedene Faktoren fördern Krisenresilienz von Unternehmen
Finanziell resiliente Unternehmen zeichnen sich durch eine hohe Eigenkapitalquote und Liquidität, ein stabiles reales Umsatzwachstum und flexible Kostenstrukturen aus. Diese Faktoren helfen, Umsatzschwankungen besser zu glätten und die Umsatzrendite hochzuhalten. Auch die Bildung von Puffern z.B. bei der Liquidität oder der Kapitelbeschaffung, eine effektive Risikofrüherkennung und gute Beziehungen zu Partnern und Stakeholdern stärken die Resilienz von Unternehmen.„Krisenresiliente Unternehmen sind weniger anfällig für externe Schocks, weil sie Abhängigkeiten in ihren Geschäftsmodellen reduziert haben, und sich schneller anpassen können“, erklärt Studienautorin Prof. Dr. Ute Vanini von der FH Kiel. „Tatsächlich gibt es hier aber noch einen gewissen Nachholbedarf in der effektiven Früherkennung von externen Krisenereignissen wie Corona oder geopolitische Risiken und der Abschätzung ihrer Auswirkungen auf das eigene Unternehmen. Zudem betreiben längst nicht alle Unternehmen ein systematisches Resilienzmanagement.“
Wirtschaftspolitik und Unternehmenskultur beeinflussen Krisenfestigkeit
Gemessen über die vergangenen sieben Jahre sind 7,2 Prozent der Schweizer Unternehmen der Gruppe der krisenresilienten Unternehmen zu zuordnen, aber nur 4,7 der österreichischen und nur 3.7 Prozent der deutschen. „Das ist auch der unterschiedlichen Unternehmenskultur in Deutschland und der Schweiz geschuldet“, erklärt Studienautor Prof. Dr. Stefan Hunziker von der HSLU. Flachere Hierarchien in den Schweizer Unternehmen förderten zudem eine offene Diskussionskultur, den Digitalisierungsgrad und den Einsatz von flexiblen Arbeitszeitmodellen - alles Faktoren, welche Unternehmen in Krisen widerstandsfähiger machen, so Hunziker.Die Resilienz wird aber nicht nur durch die Unternehmensführung und erfolgreiches Risikomanagement erhöht, sondern auch von externen Faktoren beeinflusst. Auch hier zeigen sich laut den Studienautor*innen klare Unterschiede zwischen den drei Ländern. Deutsche Unternehmen erhielten beispielsweise insbesondere während der Corona-Krise mehr Staatshilfe als ihre Schweizer Pendants. Dies verringerte den Anreiz zum resilienzfördernden Abbau von Kosten oder eigenen Effizienzbemühungen, wie andere Studien zeigen.
Inflation, gestiegene Baukosten und Energiepreise sorgen für Probleme
Obwohl österreichische Unternehmen, insbesondere in der Tourismus- und Energiebranche, Widerstandsfähigkeit zeigten, sahen sie sich mit hoher Inflation und Baukosten konfrontiert. Deutsche Unternehmen wurden am stärksten von den steigenden Energiepreisen und Lieferkettenunterbrechungen getroffen, insbesondere in den Sektoren Industrie und Werkstoffe. Der Schweiz kam zugute, dass ihre Wirtschaftsleistung weniger stark auf energieintensive Industrien angewiesen ist als dies in Deutschland und Österreich der Fall ist. So benötigt die deutsche Industrie rund zweieinhalb Mal so viel Energie für jeden Dollar Wertschöpfung, wie die Schweizer. Doch nicht nur energieintensive Unternehmen können durch äußere Faktoren unter Druck geraten: Die Studie macht deutlich, dass auch scheinbar krisenfeste Geschäftsmodelle wie die von Immobilienunternehmen unter Druck geraten können, wenn diese stark verschuldet sind. Ein plötzlicher Anstieg der Zinsen kann die finanzielle Situation solcher Unternehmen stark belasten und zu Krisen führen.
„Die andauernden Krisen schwächen die finanzielle Widerstandsfähigkeit von Unternehmen“, erklärt Prof. Ute Vanini. „Der Identifikation und Reduktion von kritischen Engpassbereichen des eigenen Geschäftsmodells kommt eine herausragende Bedeutung zu. Ebenso wichtig sind die frühe Identifizierung möglicher externer Gefährdungen dieser Engpassbereiche sowie eine gute Balance zwischen dem Aufbau von Puffern und dem Streben nach Kostenoptimierung. Nur so können Unternehmen erfolgreich sein und langfristig überleben.“
Hintergrund
Seit 2020 führen die HLSU und die FH Kiel vergleichende Studien zum Risikomanagement von Unternehmen in der DACH-Region durch. Die aktuelle Studie finden Sie hier: Nach Post-Corona-Zwischenhoch: Dauerkrisen stellen Schweizer Unternehmen auf harte Probe | Hochschule LuzernDer ERM Report 2024 vergleicht anhand der Auswertung finanzieller Daten und Interviews die finanzielle Krisenresilienz und -anfälligkeit von Unternehmen der DACH-Region und ermittelt wesentliche Einflussfaktoren.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner: Fachhochschule Kiel
Prof. Dr. Ute Vanini, Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Controlling
E-Mail: ute.vanini@fh-kiel.de
Quelle: www.fh-kiel.de/