Die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung - die Corporate Sustainability Reporting Directive (EU) 2022/2464, kurz CSRD, gilt zunächst für einen eingeschränkten Kreis von Unternehmen, der schrittweise erweitert wird. Aktuell wird die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt und wirft bereits ihre Schatten voraus.
Mit der Pflicht zu einem ausführlicheren Nachhaltigkeitsbericht für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern erhöhen sich ab dem Geschäftsjahr 2024 sukzessive auch die Anfragen bei kleinen und mittleren nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen (KMU), Nachhaltigkeitsinformationen an ihre Geschäftspartner zu liefern.
Derzeit flattern bereits unterschiedlichste Fragebögen von Kunden, Lieferanten und Banken in die Unternehmen. Diese indirekte Betroffenheit der KMU von der Richtlinie und der damit verbundene Aufwand lässt die Rufe nach einem europaweit akzeptierten freiwilligen Berichtsstandard lauter werden.
Die Zahl der direkt von der Richtlinie betroffenen Unternehmen in Deutschland steigt in den kommenden Jahren von bisher 500 auf circa 15.000. Diese müssen Strategien erstellen sowie anhand der verbindlichen EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) diverse Daten erheben, Berichte erstellen, prüfen lassen und diese offenlegen.
Zur Anfertigung der Berichte benötigen sie eine Fülle von Informationen aus ihrer Wertschöpfungskette, beispielsweise zum CO2-Ausstoß. Damit kommt es zum sogenannten "Trickle-down-Effekt" oder "Kaskadeneffekt": Obwohl nicht kapitalmarktorientierte KMU nach der europäischen Richtlinie formal von der Berichtspflicht ausgenommen sind, müssen in der Praxis faktisch auch Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern viele Nachhaltigkeitsinformationen erheben.
Damit die KMU nicht in vielen unterschiedlichen Informationsabfragen seitens diverser größerer Unternehmen untergehen, kann ein einheitlicher freiwilliger Standard helfen - auch wenn er das Grundproblem einer insgesamt überdimensionierten gesetzlichen CSRD-Berichtspflicht bestenfalls abmildern kann. Ein solcher freiwilliger Standard könnte - bei entsprechender Akzeptanz der Geschäftspartner - die Chance bieten, die Belastung kleinerer Betriebe zumindest in Grenzen zu halten.
Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat im Januar 2024 einen ersten Entwurf für einen solchen "Voluntary SME-Standard" (VSME) vorgelegt. Das freiwillige Instrument soll KMU in die Lage versetzen, ihre Nachhaltigkeitsziele und -projekte einfacher zu dokumentieren. Der künftige Standard soll nicht verbindlich sein, sondern eine freiwillige Alternative zu den vielen individuellen Fragebögen bieten, die KMU derzeit erhalten.
Wichtig ist nun, zu prüfen, ob der VSME-Entwurf einerseits den Informationsbedarf berichtspflichtiger Geschäftspartner und Finanzinstitute erfüllt und andererseits von KMU ohne externe Unterstützung umgesetzt werden kann. Nur wenn beide Voraussetzungen gegeben sind, könnte ein solcher VSME-Standard am Markt akzeptiert werden und dazu beitragen, die mittelbare Belastung der KMU zu reduzieren.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer, das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) und die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) haben die praktische Eignung des VSME-Entwurfs in einem Pilotprojekt mit KMU aus verschiedenen Branchen getestet. Die Ergebnisse der Pilotstudie (PDF, 138 KB) zeigen, dass der freiwillige Status des Nachhaltigkeitsstandards für KMU erhalten bleiben und Akzeptanz entlang der Lieferkette und in den Finanzinstituten geschaffen werden muss.
Der künftige VSME-Standard ist nur eine Hilfe für die Unternehmen, da er die Auswirkungen der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) auf nicht direkt berichtspflichtige KMU eindämmen soll.
Notwendig ist es jedoch, die Ursache anzugehen: Auf EU-Ebene müssen die CSRD und deren ESRS-Standards deutlich abgespeckt, beziehungsweise verhältnismäßig ausgestaltet werden. Gleichzeitig sollte der zukünftige VSME-Standard in der CSRD als Obergrenze für die Daten verankert werden, die entlang der Wertschöpfungskette von berichtspflichtigen Betrieben abgefragt werden müssen.
Zudem ist es erforderlich, die Kompatibilität der verschiedensten Pflichten und Standards auf EU-Ebene sicherzustellen. Beispiele sind hier die EU-Lieferketten-Richtlinie, die Taxonomieverordnung sowie die Sustainable Financial Disclosure Regulation (SFDR) - diese Regelungen sind höchst komplex, detailliert und miteinander verknüpft, aber nicht mit- und aufeinander abgestimmt. Ohne pragmatische Prozesse und eine Zielorientierung an der Praxis hilft aber auch der beste Fragebogen nichts.
Quelle: www.dihk.de