KfW Research: Wirtschaftsstandort Deutschland – ein gemischtes Bild

• Systematische Betrachtung der Standortfaktoren ergibt ein gemischtes Bild

• Zu Stärken zählen Innovationskraft, die Logistikinfrastruktur und gut ausgebildete Arbeitskräfte

• Zu den Herausforderungen gehören die ausgeprägte demografische Alterung, niedrige öffentliche Investitionen und hohe Unternehmenssteuern

• Hoher Handlungsdruck zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

 

"Die systematische Betrachtung des Wirtschaftsstandorts Deutschland ergibt ein gemischtes Bild mit Stärken und Schwächen. Insgesamt besteht ein hoher Handlungsdruck, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts zu sichern", sagt KfW-Chefvolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib anlässlich der Vorstellung einer neuen Standortstudie von KfW Research. Die Analyse vergleicht zum einen fünf internationale Standort-Rankings, etwa von der Weltbank, dem International Institute for Management Development oder dem Weltwirtschaftsforum, zum anderen die G7-Staaten inklusive Deutschland sowie China und Schweden in 22 Standortindikatoren, und zwar in fünf Clustern: Arbeitsangebot, Kapitalangebot, Innovationsfähigkeit, Energieversorgung sowie staatliche Rahmenbedingungen und Abhängigkeiten.

"Selbst wenn bei den Stärken das Niveau der Indikatoren noch gut ist, legen deren Trends nahe, dass andere Wirtschaftsräume ihre Wettbewerbsfähigkeit kontinuierlich verbessern", konstatiert Köhler-Geib. Bei der Einordnung ist relevant, dass Deutschland in der Periode von 2005 bis 2020 das einzige G7-Land war, dem es gelungen ist, beim kaufkraftbereinigten Pro-Kopf-Einkommen zu den USA aufzuschließen. Außerdem wuchsen von 2012 bis 2023 die deutschen Exporte von Waren und Dienstleistungen preisbereinigt um 27 % und damit schneller als etwa in Kanada (23 %) oder den USA (17 %).

Erst mit den Schocks, angefangen mit der Corona-Pandemie seit 2020, ist Deutschland auf hohem Niveau zurückgefallen. "Die gute wirtschaftliche Entwicklung hat den Handlungsdruck bei den sich abzeichnenden strukturellen Herausforderungen lange verringert. Jetzt besteht in der konjunkturellen Schwäche die Gelegenheit, von einer in vielen Bereichen noch guten Ausgangslage die strukturellen Herausforderungen anzugehen", sagt Köhler-Geib.

Die Innovationskraft zählt laut der Analyse zu Deutschlands Stärken, was insbesondere der Global Innovation Index belegt (Rang 8 von 132 Ländern). Es hapert jedoch beim Technologietransfer in kleinere Unternehmen und bei der Umsetzung von Erfindungen in Unternehmensgründungen. Dabei zeigt sich eine noch zu geringe Rolle der Wagniskapitalfinanzierung.

Weitere Stärken liegen beim Kapitalangebot durch einen guten Finanzierungszugang, auch für kleine und mittelständische Unternehmen, sowie bei einer international hervorragend bewerteten Transportinfrastruktur. Beim Infrastructure Score, als Teil des Weltbank-Logistic-Performance-Index, liegt Deutschland 2023 auf Rang 3 von 139 Ländern.

Während mittelständische Unternehmen die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften vielfach als Wettbewerbsvorteil wahrnehmen, gefährdet die demografische Entwicklung mit einem in den kommenden Jahren besonders ausgeprägten Rückgang der Erwerbsbevölkerung diese Stärke. Ein deutlich negativer Trend bei schulischen Grundqualifikationen im internationalen Vergleich zeigt mit Blick auf die Qualifikation zukünftiger Erwerbspersonen dringenden Handlungsbedarf auf. Weitere Schwächen sind laut den Zahlen relativ niedrige öffentliche Investitionen und hohe Unternehmenssteuern.

Auch wenn der Trend bei den deutschen Strom- und Gaspreisen seit 2023 wieder deutlich nach unten zeigt, hat Deutschland einen Kostennachteil bei der Energieversorgung, vor allem in Relation zu den USA und Kanada. Erforderlich seien "erhebliche öffentliche und private Investitionen in die Erzeugungskapazitäten sowie die damit verbundenen Technologien wie Stromnetze und Speicher", sagt Köhler-Geib. In Sachen Energieeffizienz schneidet die deutsche Industrie der Untersuchung zufolge sehr gut ab, beim Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch befindet sich Deutschland jedoch nur im Mittelfeld.

"In einem Umfeld mit zunehmenden geopolitischen Konflikten und Handelsbeschränkungen ist Deutschland aufgrund seiner hohen Exportorientierung sehr verletzlich", erklärt die KfW-Chefvolkswirtin. Die Diversifikation der deutschen Export- und Importmärkte sei zwar insgesamt hoch, China beim Handel und bei den Gewinnen aus Direktinvestitionen aber ein Klumpenrisiko. Beträchtliche Abhängigkeiten bestehen demnach außerdem in der deutschen Rohstoffversorgung, für die China und andere autoritär regierte oder instabile Staaten eine große Rolle spielen.

"Alles in allem zeigt die systematische Betrachtung der Standortfaktoren dringenden Handlungsdruck, auf Stärken aufzubauen und Schwächen in den Griff zu bekommen. Nur so lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland auch zukünftig sicherstellen", sagt Köhler-Geib. In der Vergangenheit hätten die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder bewiesen, dass der Standort Veränderungen bewältigt und sich an neue Gegebenheiten anpasst. Dazu müssten jetzt alle Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ihren Beitrag leisten.

Quelle: www.kfw.de

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